Steinkohlenbergbau
Aufschwung und Niedergang des Steinkohlenbergbaus (Überblick)
Malte Helfer (2008)
Quellen | Links |
Die Karte zeigt die Verbreitung der ehemaligen Steinkohlengruben der Großregion in der wallonischen und der saarländisch-lothringischen Lagerstätte von etwa 1800 bis heute. Nach der Schließung der letzten wallonischen Grube 1984 und der letzten Lothringer Grube 2004 förderte einzig noch das Bergwerk Saar in Ensdorf bis Mitte 2012.
Der Steinkohlenbergbau spielt eine besondere Rolle für die Entstehung der Großregion. Der 1951 geschlossene EGKS-Vertrag war der erste Schritt auf dem Weg zur Europäischen Union. Der 1969 vom Vorstandsvorsitzenden der Saarbergwerke skizzierte Saar-Lor-Lux-Raum stellt die Vorstufe der Großregion dar. Die Kohlevorkommen der Großregion verteilen sich auf zwei Lagerstätten: Den Haine-Sambre-Maas-Kohlengürtel mit Borinage, Centre, Pays Noir und dem Becken von Liège, und die saarländisch-lothringische Lagerstätte, die von Neunkirchen nach Ost-Lothringen einfällt. Nach der Römerzeit ist der Kohleabbau erst im Hochmittelalter wieder belegt, im Borinage im 11. Jh., in Liège und im Centre Ende des 12. Jh., im Pays Noir Mitte des 13. Jh., an der Saar 1430. Nur in Lothringen wurde wegen der tiefer liegenden Flöze erst 1817 Kohle gefunden. |
|
View the embedded image gallery online at:
Fief de Lambrechies / Couchant de Mons http://www.gr-atlas.uni.lu/index.php/de/articles/wi55/st71#sigProIde4f8b406c6 Quelle: Alte Postkarte |
Im 18. Jh. waren die oberflächennahen Flöze allmählich ausgebeutet. Die Einführung der Dampfmaschine ab 1721 bewältigte die zunehmenden Wasserzuflüsse und erlaubte das Vordringen in die Tiefe. Die notwendigen Investitionen führten zu ersten Fusionen und Betriebsaufgaben. Der Aufschwung des Bergbaus begann im Borinage, das schon 1789 rund 350 000 t förderte. Die mit der Industrialisierung rasch ansteigende Kohlennachfrage motivierte den Bau von Kanälen und ab Mitte des 19. Jh. den raschen Ausbau des Schienennetzes. Mit der Erschließung überregionaler Absatzmärkte begann die Blütezeit des Bergbaus, die Förderung stieg rasant. Das Borinage war Mitte des 19. Jh. das bedeutendste Kohlerevier des Kontinents. In Liège begann der Aufschwung erst um 1830, an der Saar um 1850, in Lothringen um 1900. |
Ab 1920 erforderten neue, konkurrierende Brennstoffe die Modernisierung und den Zusammenschluss vieler wallonischer Gruben. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise kam es dort und an der Saar zu einer ersten Stilllegungswelle. In Lothringen dagegen sorgten neue Bergwerke für eine Steigerung der Förderung.
Nach dem 2. Weltkrieg erholte sich der kaum beschädigte belgische Bergbau rasch. Die "Kohlenschlacht" führte zu einem zweiten Fördermaximum Anfang der 1950er Jahre. In Frankreich wurde der Bergbau verstaatlicht, um die schweren Kriegsschäden zu bewältigen. Das Saarrevier fiel nach dem Krieg unter französische Verwaltung, bis das Saarland 1957 in die BRD eingegliedert wurde. |
View the embedded image gallery online at:
Altenwald / Saarland http://www.gr-atlas.uni.lu/index.php/de/articles/wi55/st71#sigProIddc59bdb16b Quelle: Saarlandmuseum |
View the embedded image gallery online at:
La Houve / Lorraine http://www.gr-atlas.uni.lu/index.php/de/articles/wi55/st71#sigProId86e5569c23 Quelle: P. Jegentowicz / J. Urek |
Die Ausbeutung der wallonischen Kohlebecken war nach dem 2. Weltkrieg schon weit fortgeschritten. Die ungünstigen Lagerstättenbedingungen erlaubten keine konsequente Mechanisierung. Mit dem EGKS-Vertrag wurde die teure wallonische Kohle der Konkurrenz der Nachbarländer ausgesetzt, so dass eine neue Schließungswelle begann. Der Lothringer Bergbau dagegen hatte seine kurze Blüte in der Nachkriegszeit und erreichte sein Fördermaximum erst 1956. Die Kohlenkrise erzwang ab 1957 weitere Rationalisierungen und die Schließung der meisten Gruben in der Wallonie und im Saarland. Nur in Lothringen, das seine Anlagen unmittelbar vor der Krise modernisiert hatte, wurden bis 1972 keine Gruben geschlossen. Mit der Einführung von Schreit- und Schildausbau in Lothringen und an der Saar Ende der 1960er Jahre stieg die Produktivität noch einmal beträchtlich. Dennoch musste der Niedergang des Bergbaus durch staatliche Subventionen abgefangen werden. Die Ölkrisen brachten nur vorübergehend Entlastung. Die kontinuierliche Senkung der Subventionen ab 1996 beschleunigte die schrittweise Schließung der letzten Gruben. In der Wallonie hatte 1984 Sainte Catherine du Roton als letzte Grube geschlossen, in Lothringen La Houve 2004. An der Saar schloss als letztes Bergwerk der Großregion das Bergwerk Saar in Ensdorf im Juni 2012. Insgesamt wurden in den wallonischen Revieren über die Jahrhunderte rund 2 Mrd. t Kohle gefördert, im Saarland 1,5 Mrd. t und in Lothringen 800 Mio. t. |