Trier-St. Jost

LE052 Trier-St. Jost


Trier/Biewer


Topographische Lage
Nördlich von Trier, am linken Moselufer unmittelbar vor der Ortschaft Biewer

Urkundliche Ersterwähnung
1283: Der Trierer Domherr Wilhelm von Dawels überträgt den Leprosen in Estrich und Biewer in seinem Vermächtnis je 5 solidi.

Gebäude
Ein gemeinsames Hauptsiechenhaus, mehrere kleine Wohnstätten, eine Kapelle und ein Friedhof. Nach dem Statut von 1463 lebten die Siechen in gesonderten Häuschen oder Wohnungen und besaßen private Gärten.

Kapelle
Patron der Kapelle war der hl. Jodocus (Sankt Jost). 1706: Die Kapelle wurde in ihrer heutigen Form neu erbaut und durch den Trierer Weihbischof Verhorst geweiht. Angeblich hatten zwei aussätzige Jungfrauen zu diesem Zweck Almosen gesammelt; sie wurden nach ihrem Tod in der Kapelle begraben.

Das ehemalige Trierer Leprosorium St. Jost nahe dem heutigen Stadtteil Biewer an der Mosel. Links Wohn- und Wirtschaftsgebäude, rechts die Kapelle mit doppelt gestaffelter Apsis und Dachreiter (ca. 1980).
Quelle: Pilgram, H. / Pilgram M. 1980, S. 43.

Insassen
In der Regel wurden nur Einheimische aufgenommen. 1458: drei Insassen. Nach einer kurfürstlichen Verordnung von 1591 mußte jeder Sieche, sofern er nicht arm und mittellos war, bei seiner Aufnahme 12 Taler für das Haus hinterlegen. Ein späteres Verzeichnis von 1737 erhöhte die Aufnahmezahlung um eine gute Kuh oder ersatzweise fünf Gulden.

Darüber hinaus bestand der Brauch, daß beim Eintritt in das Leprosorium ein gutes Essen ausgerichtet sowie jedem Insassen drei Albus gezahlt werden mußten. Die Hinterlassenschaft eines verstorbenen Pfründners fiel an die Bruderschaft, ebenso wie das bei der Aufnahme eingezahlte Geld.

Verwaltung
Das Leprosorium unterstand der Abtei Sankt Marien (St. Maria ad martyres); geistliche Aufsicht durch deren Abt, weltliche Aufsicht durch den kurtrierischen Amtmann von Pfalzel.

Verwaltung vor Ort, Bewirtschaftung des Grundbesitzes und Verpflegung der Kranken durch den Schellenknecht, den sogenannten "Klingelmann".

Das Leprosorium verfügte über ein Siegel, das von den Provisoren geführt wurde, aber leider nicht erhalten ist. Es wird im Eschatokoll der Statuten von 1448 als "des vorg[enannt] huse (zu St. Jost) ingesiegell" angekündigt. Der fehlende Siegeleinschnitt zeigt jedoch, daß es sich um ein unbesiegeltes Revers der Originalurkunde handelt.

Die Trierer Leprosorien Estrich und St. Jost
Kartographie: M. Uhrmacher 2006 Kartengrundlage: Die Trierer Talweite während des Mittelalters. L. Clemens, Vallis Treverica – Skizzierung des Untersuchungsraumes.
Quelle: Anton/Haverkamp 1996, S. 165

Stiftungen und Schenkungen, Einkünfte und Besitz
20. März 1284: 5 solidi aus dem Vermächtnis des Trierer Domkantors Wilhelm von Dawels. 9. August 1316: Gottschalk Rait, Kaplan des Margaretenaltars und Rektor von Ulmen, stiftet in seinem Vermächtnis 10 solidi.

29. Januar 1330: zwei Ohm Wein und zwei Malter Roggen durch den Propst von St. Simeon, Eberhard von Massu.28. Januar 1343: Johann Jakelonis, Dechant von St. Simeon, vermacht den Leprosen 5 solidi. 23. April 1379: Vermächtnis von 5 Pfund trierischer Denare durch den Archidiakon Arnold von Saarbrücken.

19. Februar 1380: Im Testament des Trierer Dompropstes Robert von Saarbrücken werden die Aussätzigen zu St. Jost mit 10 Pfund bedacht. 1422: 6 Pfund trierische Denare im Testament des Scholasters Arnold von Hohenecken. 24. Oktober 1427: 1 Gulden im Testament des Domvikars Heinrich von Bettenberg. 16. März 1445: 1 Gulden im Vermächtnis des Konrad von Braunsberg.

Juni 1448: Den Leprosen wurde das Almosensammeln in der Kirche von dem trierischen geistlichen Offizial verboten. Es durften demnach keine Leprosen mehr die Kirche während des Gottesdienstes betreten oder in ihr verweilen; sie mußten vielmehr auf dem ihnen zugewiesenen Platz auf der Empore bleiben.

Der Kaplan durfte als einziger die auf den Altären liegenden Almosen einsammeln, es wurde den Leprosen jedoch das Aufstellen eines Tisches vor der Kirche zum Empfang von Almosen gestattet; 1482/83: ein Malter Korn vom Sankt Jakobshospital.

29. November 1492: Papst Alexander VI. teilte dem Abt von St. Martin, dem Dekan und dem Offizial der Trierer Kirche die Klagen der Rektoren des Leprosenhauses St. Jodok bei Trier mit, daß der Rektor der Pfarrkirche in Wollmerath, Johann de Falkenborch, mit seinem Vater Johann Wollensleger jahrelang dem Leprosenhaus Geld entfremdet hat.

Zwischen 1531 und 1540: Anlage eines Steinbruches im Weinberg nahe des Leprosoriums unter Kurfürst Johann von Metzenhausen (1531-1540), dadurch wurde der Weinberg vollkommen zerstört; als Entschädigung erhielt das Siechenhaus jährlich vom kurfürstlichen Kellner zu Pfalzel ein Ohm Wein. 1591: Aufnahmegebühr 12 Taler, 1737 Erhöhung um eine gute Kuh oder ersatzweise 5 Gulden. Außerdem mußten zur Aufnahme ein Essen ausgerichtet und jedem Insassen 3 Albus gezahlt werden.

Zu Beginn des 18. Jhs. bestanden folgende jährliche Einkünfte und Renten: Ölzins im Wert von 24 Albus, ein Malter Korn vom Trierer Sankt Jakobshospital, ein Schweinskopf vom Kloster Oeren sowie monatlich 8 Albus von Bernkastel und ein Brot vom Deutschhaus.

Grundbesitz: ein Kastanienwäldchen und ein Weinberg (Ertrag: acht Ohm) nahe beim Haus, eine Wiese im Biewertal (Ertrag: ca. drei Fuder Heu) und ein Weinberg bei Ruwer. Kurz vor der Weinlese durften die Leprosen "mit ihren Klappern" Almosen sammeln; sie erhielten auf diese Weise ca. ein bis eineinhalb Ohm (= ca. 150 bis 225 Liter).

Zusätzlich sammelte der Schellenknecht für die Leprosen Almosen. Zur Vermeidung von Streitigkeiten hielten sich die Schellenknechte von Estrich und St. Jost an genau festgelegte Routen: Nach einer diesbezüglichen Regelung aus dem Jahre 1715 sammelte der Klingler von St. Jost montags, freitags und sonntags in Trier, samstags in Ehrang und Pfalzel sowie mittwochs alle 14 Tage abwechselnd im Amt Grimburg, oder in den Dörfern Schweich, Longen, Lörsch, Riol, Longuich, Kirsch, Kenn und Ruwer.

Statuten des Trierer Leprosoriums St. Jost von 1448, erlassen durch den Abt von St. Marien

Hausstatuten des Trierer Leprosoriums St. Jost von 1464

Statuten
1448: Erlaß einer Leprosenordnung durch den Abt von Sankt Marien.

1464: Die Leprosen gaben sich selbst Hausstatuten.

Lepraschau
Ab 1437: Mehrere kurfürstliche Verordnungen, wonach Sankt Jost alleiniger Lepraschauort im Erzstift sein sollte. 1449: Lepraschau durch einen Karmelitermönch und einen Bartscherer. März 1491: Erstattung von Kosten an den Stadtzender wegen drei durchgeführter Besehungen. 1507: Der Erzbischof ernennt einen Wundarzt für die Lepraschau.

1508: Das Untersuchungsgremium bestand aus einem studierten Arzt und zwei Scherern. 1529/30: Erstattung von Kosten des Untersuchungsgremiums wegen sieben durchgeführter Besehungen (vgl. auch den Ortsartikel Luxemburg). Trotz der kurfürstlichen Förderung blieb die Lepraschau in St. Jost regional beschränkt.

Leprosenbruderschaft
Die Leprosen des gesamten Erzstiftes waren in einer Erzbruderschaft zusammengeschlossen. Diese traf sich jährlich nach dem Bartholomäusfest zwei Tage in der St. Jakobskapelle zu Biewer, wo eine Messe gehalten wurde; die Kosten für den Prediger und die Kerzen trug die Bruderschaft, der Abt von St. Marien mußte für den Gottesdienst sorgen. Die Teilnahme war allen Aussätzigen des Erzstifts vorgeschrieben.

1625 richteten die Leprosen aus dem Niedererzstift diesbezüglich eine Bittschrift an den Erzbischof. Darin baten die Leprosen um die Erlaubnis, ihre Zusammenkunft entweder in Kapellen (hier befand sich das Koblenzer Leprosorium) oder an einem anderen, bequemer zu erreichenden Ort abhalten zu dürfen. Als Gründe gaben sie die beschwerliche Reise und Einbrüche in ihre Häuser während der langen Abwesenheit an.

Schließung
Unter französischer Herrschaft wurden aus dem Vermögen aller Wohltätigkeitsanstalten in und um Trier die Vereinigten Hospitien gegründet.

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Literatur


Anton, H.H. u. A. Haverkamp (Hg.): Trier im Mittelalter (2000 Jahre Trier 2) Trier 1996

BATR Best. 91, Nr. 128

LHAKo Best. 1 D Nr. 704, Nr. 709, Nr. 722, Nr. 893, Nr. 1149, Nr. 4413, S. 465-474, Nr. 4416, S. 849-869, Nr. 4420, S. 145-155; Best. 207, Nr. 425, Nr. 427; Best. 215, Nr. 273, 416 u. 417

StAT O 11; MRR 3, Nr. 1141

Rudolph, Quellen (Kurtrierische Städte), Nr. 139, S. 407-412

Clemens, Weinstadt, 306

Frohn, Aussatz (Rheinland), 57-62

Holbach, Stiftsgeistlichkeit., 320-321

Lager, Estrich u. St. Jost, 73-88

Matheus, Trier, 282, 287 u. 343

Schüller, Aussatz (Koblenz), 140

Simmert, St. Maria ad Martyres, 969-976

Staerk, Gutleuthäuser, 536f. u. 542-544.